Schon lange hat Ihab Kashof ein festes Ziel vor Augen: Er will Bauingenieur werden und irgendwann seine Heimat wieder aufbauen. Doch als er 2015 mit seinen beiden älteren Brüdern vor dem Krieg aus der syrischen Stadt Latakia floh und ein halbes Jahr später in Bütlingen in einer Flüchtlingsunterkunft landete, dachte er sich: „Das wird nicht klappen.“ Jetzt ist er seinem Ziel jedoch einen großen Schritt näher gekommen: Der 21-Jährige hat in diesem Jahr an der Berufsbildenden Schule (BBS) II in Lüneburg sein Abitur gemacht. Nun will er studieren.

„Am Anfang war es hart“, erinnert sich Ihab Kashof an die Zeit, als er kurz nach seiner Flucht in die neunte Klasse gesteckt wurde. Denn nicht nur, dass er kein Wort Deutsch sprach, zusätzlich lastete noch eine große Verantwortung auf seinen Schultern. „Ich hatte ein Jahr Zeit, um meine Eltern und meinen kleinen Bruder nach Deutschland zu holen. Ich war der einzige von uns, der noch nicht 18 war“, sagt Kashof.

Jetzt schaut er traurig zu seinem älteren Bruder: „Es hat leider nicht geklappt, sie sind immer noch in Syrien.“ Zwar wurde am 1. Februar 2018 im Berliner Bundestag beschlossen, dass auch Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz, wie auch Ihab Kashofs Status lautet, ihre Familien nachholen dürfen. Doch ist die Familie des Syrers dabei auf die Deutsche Botschaft im Libanon angewiesen. Und die lässt sich Zeit.

„Meine Eltern warten seit eineinhalb Jahren darauf, dass die Deutsche Botschaft in Beirut ihren Visums­antrag bewilligt. Aber sie hören gar nichts von ihr“, sagt der junge Mann. Auch er selbst bekomme keine Informationen von den Behörden.

Er hat Zweifel, dass der Familiennachzug jemals klappen wird. Schließlich habe es bei keinem seiner Freunde bisher ein gutes Ende gegeben. Aber die Hoffnung gibt er nicht auf, jeden Tag telefoniert er mit Vater, Mutter und dem Bruder, der mittlerweile zehn Jahre alt ist. „Ich muss abwarten, mehr kann ich leider nicht tun.“

Das gilt auch für seine eigene Situation: Ob seine Aufenthaltsgenehmigung im Jahr 2022 verlängert wird, weiß Ihab Kashof jetzt noch nicht. „Das wäre das Schlimmste. Wenn wir wieder zurück müssen, obwohl wir uns hier ein Leben aufgebaut haben. Dann hätten wir alles verloren“, sorgt er sich.

Doch in der Zwischenzeit nutzt der junge Syrer die Chancen, die Deutschland ihm bietet. „Wenn man ein Ziel hat, dann muss man eben Gas geben und das verwirklichen.“ Nach dem erweiterten Realschulabschluss wechselte er deshalb auf die BBS II. Dort absolvierte er im ersten Jahr ein Praktikum im Lüneburger Bauamt.

„Das hat mir total gut gefallen. Die Leute waren auch alle sehr freundlich zu mir und haben mir viel geholfen“, erzählt Kashof. Dann lacht er und sagt: „Und sie haben gesagt, wenn ich mit meinem Studium fertig bin, soll ich mich da bewerben. Einen Job habe ich also auch schon fast gefunden.“

Aber erstmal will der 21-Jährige ab Oktober Bauingenieurwesen studieren. „Mit meinen Noten kann ich das schaffen“, ist er zuversichtlich. Am liebsten in Hamburg, wenn das nicht klappt, in Hannover. „Das wäre aber ganz schön weit, weil ich auf jeden Fall bei meinen Brüdern wohnen bleiben möchte.“Gemeinsam leben sie in einer kleinen Wohnung in Kaltenmoor. „Zwei Schlafzimmer haben wir und ein Wohnzimmer. Das ist schon gut“, meint der Abiturient.

Jetzt möchte er erstmal ein bisschen arbeiten, um Geld zu verdienen. Wenn er einen Studienplatz zugesichert bekommt, heißt es, sich für ein Stipendium und BAföG zu bewerben. Dabei bekommt er Unterstützung von Klaus Herbst, der sich seit der Ankunft der drei Brüder wie ein „Ersatzvater um uns kümmert. Er hat uns gesagt, was man wie machen muss, hat uns geholfen, auf dem richtigen Weg zu bleiben.“

Nicht nur Ihab Kashofs leibliche Eltern sind stolz auf ihn, auch Herbst ist es. „Ich hätte am Anfang nie gedacht, wie intensiv diese Beziehung wird. Ich bin für sie ein Ersatzvater und ich nehme diese Rolle auch weiterhin wahr. Aufhören kommt nicht mehr in Frage“, sagt er.

Auch nicht für Ihab Kashof. „Ich mache weiter und weiter. Und wenn ich nicht in Syrien meine Heimat aufbauen kann, dann arbeite ich eben hier, in meiner zweiten Heimat, als Bauingenieur.“

(Quelle: Landeszeitung Lüneburg)

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